Prinzessin in NotFlucht aus Garda |
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Eine der einprägsamsten Geschichten aus Adelheids Leben ist ihre Gefangenschaft in und Flucht aus der Burg Garda: Als am 22. November 950 Adelheids
erster Mann, Lothar, überraschend starb, war Adelheid um die 19
Jahre alt. Es wird erzählt, dass der plötzliche Tod des jungen
Königs das Gerücht aufkommen ließ, er wäre vom mächtigsten Mann
des Landes, Berengar von Ivrea, vergiftet worden. Nach Lothars Tod
missachtete Berengar die Rechte der jungen Witwe mit der Wahl
ihres zweiten Mannes den nächsten König zu bestimmen und riss die
Herrschaft an sich. Berengar wollte, dass Adelheid seinen Sohn
Adalbert heiratete und so ihre Ansprüche auf das Königreich mit
Berengars eigenen verband. Als Adelheid sich weigerte,
misshandelten Berengar und seine Ehefrau Willa sie, um sie gefügig
zu machen. Sie stahlen ihren Schmuck und sperrten sie schließlich
in der Burg Garda ein. Gemeinsam mit einer treuen Dienerin und
einem Priester gelang es Adelheid aber einen Tunnel aus ihrem
Gefängnis zu graben. Am 20. August 951, nachdem sie genau vier
Monate in der Burg gefangen gehalten worden war, entkamen Adelheid
mit ihren Getreuen. Während der Priester Hilfe holte, versteckten
sich Adelheid und ihre Dienerin im Schilf am Ufer des Gardasees.
Beinahe wären sie dort verhungert, doch ein freundlicher Fischer
gab ihnen zu essen. Schließlich fanden sie Zuflucht bei Bischof
Adelard von Reggio. Von dort sandte Adelheid ein Hilfegesuch an
König Otto I. Otto war von die misslichen Lage der jungen Witwe
bewegt und da Pilger aus Italien von den vielen Vorzüge der jungen
Frau berichteten, machte er sich mit seinem Heer nach Italien auf,
setzte Berengar von Ivrea ab, nahm selbst den Königstitel in
Italien an, und heiratete Adelheid im Herbst 951 in Pavia.
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Eine Geschichte wie aus einem
Märchen. Doch leider ist sie so, wie sie hier geschildert ist,
falsch.
Es fängt damit an, dass es
schlichtweg unmöglich ist, dass Adelheid gemeinsam mit einer
Dienerin und einem Priester einen Fluchttunnel graben konnte. Die
Burg Garda, von der heute nichts mehr erhalten ist, lag auf dem
Rocco di Garda, einem 291 m hohen Tafelberg.[1] Dass drei
Personen, noch dazu ohne Dynamit oder nur ordentlichem Werkzeug,
einen Tunnel durch soliden Fels graben konnten, ohne dass es
jemand bemerkt hätte, kann man mit Sicherheit als physikalisch
unmöglich bezeichnen.
Ebenfalls unwahrscheinlich ist,
dass Lothar vergiftet wurde. Das Gerücht tauchte im Mittelalter
mit schöner Regelmäßigkeit auf sobald eine bekannte Person
plötzlich starb. Die Liste reicht von Herzog Heinrich dem Stolzen,
über König John "Ohneland" zu Agnés Sorel. Da die zwei Quellen,
deren Autoren Adelheid persönlich kannte, und die auch einer guten
Geschichte nicht abgeneigt waren, von einem Giftmord nichts
erzählen, lässt darauf schließen, dass Adelheid selbst nicht daran
glaubte.
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Ob Adelheid als Witwe des verstorbenen
Königs überhaupt das Recht hatte, den nächsten König zu bestimmen
ist nicht unumstritten. Das letzte Mal, dass dies geschehen war, lag
mehrere Jahrhunderte zurück [2]. Adelheid hatte aber als Tochter
Roberts von Burgund, der ja auch kurzfristig König von Italien
gewesen war, von ihm einen Anspruch auf das Königreich geerbt.
Allerdings hatte Berengar als Enkel Kaiser Berengars I. ebenfalls
einen Erbanspruch auf Italien. Zudem war in den Jahrzehnten zuvor
die Herrschaft der Könige Norditaliens stets auf ihrer de facto
Vormachstellung und die Kooperation der Fürsten begründet gewesen
und weniger auf einen Erbanspruch. Adelheid muss jedoch für Berengar
eine Bedrohung dargestellt haben, sonst hätte er sie nicht
einsperren lassen. Hätte Adelheid erneut geheiratet, einen Mann der
selbst einen Anspruch auf den Thron hatte, hätten sie bei der
nächsten Krise eine Chance gehabt Berengar zu ersetzen. Dies geschah
ja auch als Adelheid Otto I. heiratete. Otto hatte zwar keinen
Erbanspruch aber einen Anspruch auf die Oberhoheit über die Teile
das ehemaligen Karolingerreiches. Otto I. war kaum von romantischen Ideen und ritterlichen Idealen motiviert, als er sich in die Geschehnisse in Italien eingriff. Norditalien war als Teil des zerbrochenen Karolingerreiches ein Gebiet, über das er seine Herrschaft ausdehnen wollte. Sein Bruder Heinrich hatte sich bereits in Italien eingemischt und im Frühjahr 951 hatte Ottos Sohn einen erfolglosen Feldzug nach Norditalien geführt. Da man Heere nicht über Nacht aufstellen konnte, war Ottos Plan, selbst nach Italien zu ziehen schon gefasst, bevor Adelheids Hilferuf ihn erreichte. Besonders auffällig ist auch die Reihenfolge, in der Otto vorging: Er ließ sich erst von den Fürsten zum König ernennen und heiratete dann Adelheid. Ottos Anspruch auf die Herrschaft basierte, wie der seiner Vorgänger, vornehmlich auf der Unterstützung der Fürsten und nur in zweiter Linie auf seiner Verbindung mit Adelheid. |
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Die eingangs beschrieben Version findet
sich in Hrotsvith von Gandersheim's Gesta Ottonis und in
der Chronicon Novalicense. Viele andere Quellen sprechen
nur vage davon, dass Adelheid durch die Gnade Gottes (so Odilo von
Cluny) oder durch ihre eigene Weisheit und mit der Hilfe Gottes (so
die Continuatio Reginonis) entkam. In ihrem Bericht war es
Hrotsvith von Gandersheim auch weniger wichtig die tatsächlichen
Ereignisse darzustellen, als zu demonstrieren, wie Adelheid schwere
Zeiten tapfer erduldete, wie sie es ertrug als Königin Willa sie
schlug und an den Haaren zog, und wie sie durch wie ein Wunder
entkommen konnte. Adelheid selbst sah in ihrer Gefangenschaft in der Burg Garda offensichtlich ein einschneidendes Ereignis in ihrem Leben, da sie das Datum ihrer Inhaftierung und das ihrer Befreiung im Merseburger Nekrolog festhalten ließ. Die Zeit ihrer Haft in der Burg Garda stand am Ende eines Lebensabschnitts, ihrer Ehe mit Lothar, und vor dem Beginn eines neuen, ihrer Ehe mit König Otto. Otto und Adelheid beiden haben zwar nicht aus romantischen Gründen geheiratet haben, aber Adelheid erhielt wieder Rang und Würde. Es war auch eine Ehe, die sie selbst gewählt hatte, was für Frauen im Mittelalter fast nur bei einer zweiten Ehe möglich war. Nicht zuletzt wurde Adelheid wieder mit ihrer kleinen Tochter Emma vereint, die wohl die Zeit von Adelheids Gefangenschaft in der Obhut Berengars verbracht hatte. |
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Erstaunlich ist, dass die Geschichte von
der abenteuerlichen Flucht inklusive Fluchttunnel immer wieder
völlig unhinterfragt weiter erzählt wird.[3] Dabei muss man nur
einen Blick auf den Rocco di Garda werfen um zu sehen, dass es
unmöglich ist, durch diesen Fels einen Tunnel zu graben. |
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Kaiserin Adelheid, ein bewegtes Leben in einer bewegten Zeit | |
[1] Ausflugsziel
Rocco di Garda, Einst war hier eine Königin gefangen....
Allerdings sollte (s.o.) Adelheid nicht Berengar heiraten, sondern
seinen Sohn. [2] In den Jahren 590 und 639. [3] Feld, H., 'Adelheid. Mutter der Königreiche und der Klöster' in: H. Feld (Hg.), Frauen des Mittelalters. Zwanzig geistige Profile (Köln/Weimar/Wien, 2001), 5-6. Feld wundert sich zwar, dass niemand die Grabungsarbeiten bemerkte, vermutet dann aber, dass sie bestochen wurden. Wahrscheinlicher ist es doch, dass die Wachen bestochen wurden und einfach mal weggeschaut haben, als Adelheid und ihre zwei Begleiter die Burg verließen. |
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